Werner-Jaeger-Halle: Greenwashing oder Cradle-to-Cradle?

Guido Gahlings in der Ratssitzung vom 21.11.2019: „Nach mehr als 5 Jahren Vorbereitung steht nun eine abschließende Entscheidung zur Zukunft der Werner-Jaeger-Halle (WJH) an. Zugegeben: Von Anfang an gingen die Positionen innerhalb unserer Fraktion durchaus weit auseinander. Und stellen sicherlich damit auch ein Spiegelbild für die Stimmungslage innerhalb der Nettetaler Bevölkerung dar.

Für die einen ist die WJH ein prägendes Gebäude aus den Gründungsjahren der neuen Stadt Nettetal mit hohem Wiedererkennungswert. Das kulturelle Aushängeschild und Zentrum der NetteKultur, ein riesiger Verlust für das Nettetaler Kulturleben, wenn es die Halle nicht mehr gäbe. Zudem über viele Jahrzehnte mit vielen Emotionen und schönen Erinnerungen verbunden, durch Highlights mit großen Theatergästen – aber auch etwa bei Abiturfeiern als Aula des Gymnasiums. Ein Alleinstellungsmerkmal unserer Stadt, das auch einen millionenschweren Sanierungsaufwand mit einer Nutzwerterhöhung im Eingangsbereich rechtfertig – einschließlich entsprechend hoher Folgekosten für den Abschreibungszeitraum der nächsten 60 Jahre.

Für die anderen ist die WJH ein Betonklotz ohne großen Erhaltungswert, viel zu groß und viel zu teuer im Unterhalt und erst recht in der Sanierung. Mit sehr eingeschränkten Nutzungsoptionen und fraglicher Auslastung und lediglich genutzt von einem kleineren und zahlenmäßig eher abnehmendem theaterbegeisterten Teil der Nettetaler Bevölkerung. Kein Untergang der Kultur in Nettetal ohne die Halle, wo es doch mehrere durchaus sehr ansprechende dezentrale Kulturstätten in unserer Stadt gibt. Also keine Rechtfertigung mehr als 11 Millionen € knapper kommunaler Gelder auch angesichts vieler anderer wichtiger Projekte in die Sanierung zu stecken, wo der erforderliche Neubau einer Aula für das Gymnasium nach einem Abriss der Halle sehr viel weniger Geld kosten würde.

Mit den zuletzt genannten und auch in der Vorlage aufgeführten Summen von weit über 11 Millionen € brutto für eine Sanierung ist für die Grünen-Fraktion die Schmerzgrenze deutlich überschritten, wie wir bereits in unserer letzten Haushaltsrede betont hatten. Wohlgemerkt: Abgezogen sind schon die Bundesfördermittel in Höhe von 2,43 Millionen € und nicht enthalten sind die Kosten für die nutzwerterhöhenden Maßnahmen und für die Außengestaltung. Und angesichts vieler Unwägbarkeiten und Baukostensteigerungen sicherlich auch noch nicht das Ende der Fahnenstange.

Wir haben lange und auch kontrovers um unsere Position als Grünen-Fraktion gerungen. Eine Neubauvariante für eine Kulturhalle mit ansprechender Architektur und vergleichbaren Nutzflächen muss sicherlich nicht fast 20 Millionen € kosten, wie dieses in der Arbeitsgruppe WJH vorgestellt wurde. Wäre aber insgesamt von den Gesamtkosten kaum günstiger, könnte aber von Grund auf nach dem Cradle-to-Cradle-Konzept (C2C) einer nachhaltigen und gesunden Kreislaufwirtschaft gebaut werden, hätte mehr Nutzungsmöglichkeiten und auch niedrigere Betriebskosten. Andererseits sind der buchhalterische Restwert der WJH in Höhe von 480.000 € und die Abrisskosten von etwa 500.000 € in eine Gesamtbilanz einzubeziehen, ebenso die auf jeden Fall erforderliche vorausgehende Schadstoffentfrachtung. Gleiches gilt auch für den Neubau lediglich einer Aula für das Gymnasium ohne Theateroption.

Abzuwägen galt auch, dass sich die Fraktionen von CDU und SPD und damit eine klare Ratsmehrheit bereits im Vorfeld deutlich für eine Sanierungslösung ausgesprochen hatten. Daran hätte ein alternatives Votum für den Neubau einer Kulturhalle oder nur einer Schulaula nichts geändert. Und damit komme ich zu unseren Antrag. Für uns als Grüne sind zwei Themen von herausragender Bedeutung in unserer kommunalpolitischen Tätigkeit, für die wir uns sehr intensiv eingesetzt haben:

  1. Der einstimmige Ratsbeschluss aus dem Jahr 2017 auf der Basis unseres gemeinsamen Antrages mit der CDU-Fraktion zur Errichtung von kommunalen Neu- und Umbauten nach den Cradle-to-Cradle-Grundsätzen einer nachhaltigen und gesunden Kreislaufwirtschaft.
  2. Der ebenfalls einstimmige Ratsbeschluss von 09.07. diesen Jahres, „den Weg zur klimafreundlichen Stadt konsequent weiterzuführen“ mit dem Ziel der Klimaneutralität bis spätestens zum Jahr 2050.

Intern durchaus nicht unumstritten verfolgt der vorliegende Antrag das Ziel, diese beiden Themen in die Sanierung der WJH intensiv einzubinden, zumal dazu nach unserem Eindruck in den bisherigen Vorlagen trotz einstimmiger Ratsbeschlüsse viel zu wenig enthalten war.

So heißt es etwa in der Verwaltungsvorlage zu unserem Antrag, dass Nachhaltigkeit „seit den Beschlüssen zur Sanierung der WJH zentrales Leitelement der Planungen“ war. Zentrales Leitelement? Aber keine Einbeziehung zur Nutzung erneuerbarer Energien etwa in Form von Photovoltaik? Und auch keine Einbeziehung von Dachbegrünung auf den umfangreichen Flachdächern als Beitrag zur Förderung der biologischen Vielfalt und zur Kühlung des Gebäudes in den zunehmend heißeren Sommern? Keine Einbindung einer C2C-Konzeption? Warum wird die Verwaltung erst jetzt aufgrund unseres Antrages aktiv, wo es doch einstimmige Ratsbeschlüsse zu C2C-Grundsätzen und zur Klimafreundlichkeit gibt? Und nun, trotz anderslautender vollmundiger Bekenntnisse an anderer Stelle, zumindest indirekt einräumen muss, dass in den bisherigen Planungen dieses Thema nicht im Fokus stand.

Wenn man sich dann den ersten Beschlussvorschlag ansieht, dann sind C2C und gesunde Nachhaltigkeit   für die Zukunft mit einer vierfachen Einschränkung verbunden. Das ist an Halbherzigkeit kaum zu überbieten:

  1. nur für den Innenausbau
  2. soweit finanziell verantwortbar
  3. soweit zeitlich verantwortbar
  4. wenn in bereits laufenden Planungen noch möglich

Für unsere Stadt, die eine gesunde und nachhaltige Kreislaufwirtschaft zu ihrem Leitbild erklärt hat ist das ein absolutes Armutszeugnis – gerade auch bei einem so großen und prestigeträchtigen Projekt wie der Sanierung der WJH. Da, wo es nach einer Vielzahl von Ausschlusskriterien passt, da kann man ja nach C2C-Grundsätzen vorgehen, sonst aber bitte nicht. In unseren Augen ein klassischer Etikettenschwindel oder neudeutsch gesprochen: Greenwashing. C2C in extremer Lightversion. Ein dünnes, grünes Mäntelchen, aber kein ambitioniertes Konzept, das wir uns alle mit einem einstimmigen Ratsbeschluss doch zu Ziel gesetzt haben.

Zu den Beschlussvorschlägen im Einzelnen:

  1. Ist für uns nicht akzeptabel, weil er vierfach wie bereits dargelegt die C2C-Grundsätze einschränkt. Natürlich ist eine Einbindung nicht in vollem Umfang möglich. Das ist auch beim Stadthaus in Venlo als weltweit beachtetem Leichtturmprojekt nicht zu 100% gelungen. Aber den gesamten konstruktiven Bereich auszuklammern ist für uns nicht akzeptabel. Fraglich ist für uns auch, woher die Angaben zu den Mehrkosten von 600.000€ nur für den Innenausbau bzw. 1.250.000€ für die gesamte Baukonstruktion kommen, obwohl noch kein Beraterbüro für C2C eingeschaltet wurde. Überhaupt kritisieren wir die Prioritätensetzung: Alleine 2.130.000€ netto für Bühnentechnik sowie 1.584.150€ netto für die technische Gebäudeausstattung, aber nachhaltige und gesunde Baustoffe dürfen nicht mehr kosten – gerade angesichts der Schadstoffbelastung der aktuellen Halle mit Asbest und PCB nicht nachvollziehbar.
  2. Natürlich sind wir für die Einschaltung eines Beraterbüros, fragen uns allerdings, warum das nicht schon längst geschehen ist.
  3. Natürlich unterstützen wir den Prüfauftrag zur Photovoltaiknutzung.
  4. Gleiches gibt für das Thema Dachbegrünung. Immerhin geht es hier um rund 530m2 im Bestand und im geplanten Anbau noch mal um 345m2, wobei hier die geplante Leichtbauweise allein der Kostenminimierung folgt, nicht aber einer nachhaltigen Zukunftsorientierung, wo eine Begrünung der Flachdachbereiche nicht fehlen darf.

Abschließende Bemerkungen: Gerade angesichts der vielen Einschränkungen und bisher nicht erfolgter Prüfungen etwa für die Nutzung erneuerbaren Energien bei Strom und Wärmeoder für die Einbindung einer Dachbegrünung erscheint uns die Einschätzung der Verwaltung mehr als zweifelhaft, „dass die Stadt Nettetal mit dem Erhalt der bisherigen Werner-Jaeger-Halle einen wesentlichen Beitrag im Sinne des Klimaschutzes und der Grundsätze der Kreislaufwirtschaft leistet.“ Einer ehrlichen Prüfung hält diese These nicht stand, solange ein gesundes und nachhaltiges Baukonzept eingeschränkt ist vom Umfang, von der Zeit, vom Kostenrahmen und von den laufenden Planungsprozessen. So sind wir als Stadt Nettetal vom einstimmig verabschiedeten Leitbild einer klimafreundlichen, gesunden und nachhaltigen Stadt und einer Cradle-to-Cradle-Strategie noch sehr weit entfernt! Bei diesem Etikettenschwindel können und wollen wir als Grünen-Fraktion nicht mitmachen.

Zu den Punkten den Beschlussvorschlägen der großen Verwaltungsvorlage: Außer dem Punkt drei können wir den anderen Punkten nicht zustimmen und bitten entsprechend um getrennte Abstimmung.“

 

 

Verwaltungsvorlage zur Sanierung der Werner-Jaeger-Halle mit historischer Darstellung aus Sicht der Verwaltung:

https://ris.nettetal.de/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZSQML0mpn3LjF3tQ6k2XmUd9GcORpfnLaiDEz5xMokPm/Sitzungsvorlage_mit_finanz._Auswirkungen_2310-2014-20.pdf

Grüner Ergänzungsantrag zur Verwaltungsvorlage:

https://ris.nettetal.de/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZUUP23P2XgedS2kVhf82MyOCDtvpweXQC1RKh9mA__Si/Antrag_Gruene_Fraktion_Nachhaltigkeit_und_Beruecksichtigung_C2C.pdf

Verwaltungsvorlage zum Grünen Ergänzungsantrag:

https://ris.nettetal.de/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZZgMZg7XGwcK37nAgxAxtkRL1k-5r9gbNNX9769uKGSV/Sitzungsvorlage_ohne_finanz._Auswirkungen_2325-2014-20.pdf